Wenn das Immunsystem Freund und Feind nicht mehr unterscheiden kann

By | 1. Juli 2013

 Gereizt: Schätzungsweise 80 Millionen Menschen in Europa leiden unter einer Pollen-, Hausstaub-, Schimmel- oder Tierhaarallergie. In Deutschland sind es derzeit zwanzig Millionen Allergiker, denen die eigenen Abwehrmechanismen unangenehme Streiche spielen.


Nahrungsmittelallergien mit eingeschlossen, ist zu erwarten, dass mittelfristig fast die Hälfte der Bevölkerung mit den Symptomen, die diese übersteigerte Reaktion des Immunsystems hervorruft, zu kämpfen haben wird.
Und diese Reaktionen können sehr unangenehm und einschränkend sein. Von geröteten, juckenden Augen oder ebensolchen Symptomen der Haut, Triefnase über heftige Nies- oder Hustenattacken, teils mit Beeinträchtigung der Atmung bis hin zu geschwollenen Schleimhäuten – jeder Allergiker hat mit diesen lästigen Begleitern schon hinreichend Bekanntschaft gemacht.

Historie

Das Auftreten von Allergien ist zwar keine Eroberung der Neuzeit (bereits 400 vor Christus hat Hippokrates allergische Reaktionen auf bestimmte Nahrungsmittel registriert), doch war das damals eher die Ausnahme. Soweit verzeichnet, waren in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nur zwei bis fünf Prozent der Deutschen betroffen. Eine stetige Zunahme ist seit dem zu beobachten. Sicher spielen Veränderungen unserer Umwelt und der Nahrungsmittel, der Produkte, die wir nutzen, eine beträchtliche Rolle. Die durchgängig stärkere Belastung mit Chemikalien, die Umwelt- und Luftverschmutzung, die Wirkung von Düngemitteln auf die Böden … andererseits eine stetig verbesserte Hygiene, die unseren Körper vielleicht sensibler macht, als notwendig wäre.
Auch besteht eine gewisse genetische Disposition, eine Veranlagung dazu, dass Ekzeme, Asthma, Heuschnupfen oder Nahrungsmittelallergien familiär gehäuft und/oder kombiniert auftreten (Atopie).

Jedenfalls: Unser Immunsystem scheint etwas aus dem Gleichgewicht geraten zu sein.

Allergieauslöser:

  •  Nahrungsmittel (über den Mund aufgenommen), wie Nüsse, Zitrusfrüchte usw.
  • Inhalationsallergene (werden eingeatmet), wie Pilzsporen, Pollen (Heuschnupfen), Hausstaub
  • Haut-Allergene (dringen durch die Haut ein), wie beispielsweise Nickel, Aromastoffe etc.
  • Injektions-Allergene (ebenfalls durch die Haut, vorzugsweise per Insektenstich)

Was passiert in unserem Körper, wenn er „verrückt spielt“?

Ein intaktes Immunsystem, es hat die Aufgabe, unseren Körper vor Infektionserregern und anderen Fremdstoffen zu schützen, unterscheidet zwischen harmlosen und gefährlichen Eindringlingen. Diese Struktur ist ausgeklügelt und hat viele „Mitarbeiter“ – ein umfassendes Netz von Lymphknoten und -gewebe, das Knochenmark, die Thymusdrüse, die Rachen- und Gaumenmandeln, aber auch gelöste Stoffe, Immunglobuline, wie das IgE, der Antikörper der allergischen Sofortreaktion. Mastzellen spielen eine weitere Hauptrolle bei der Sache; sie enthalten unter anderem Histamin, welches im Stande ist, zu einer Erweiterung der kleinen Blutgefäße (Rötung, Schwellung, Entstehung von Gewebeflüssigkeit), zur Anregung der Drüsentätigkeit sowie zu einer Verkrampfung der Bonchialmuskulatur zu führen.
 

Kommen Betroffene also mit dem Allergen in Kontakt und unser Immunsystem ordnet diese Substanz dummerweise als „feindlich“ ein, werden IgE-Antikörper hergestellt, die sich auf die histaminhaltigen Mastzellen setzen (die zahlreich in den Atemwegen, der Haut sowie im Magendarmtrakt vorhanden sind). Die IgE-Antikörper haben ein ausgezeichnetes Gedächtnis.
 

Jetzt sitzt also das IgE gut vorbereitet auf den Mastzellen, jederzeit bereit, beim erneuten Eintreffen des vermeintlichen Feindes (Allergen) ein Feuerwerk an Abwehrreaktionen zu zünden, sozusagen mit Kanonen auf harmlose Besucher zu schießen. Durch regelmäßige Wiederholung dieses Vorganges rüsten die Abwehrmechanismen immer mehr auf, es werden durch allergische Botenstoffe weitere Entzündungszellen angelockt, die einen chronischen Entzündungsprozess verursachen können.
 

Solche chronischen Verläufe und Folgeerkrankungen (z.B. Bronchialasthma) gilt es zu vermeiden. Ungefähr 30 Prozent der allergischen Erkrankungen werden nicht behandelt, obwohl dies angesichts der möglichen Konsequenzen absolut sinnvoll ist.

Guter Rat ist nicht teuer – drei wesentliche Strategien:

Kontakt mit dem allergieauslösenden Stoff vermeiden
– sehr wirkungsvoll, aber nicht immer möglich.
Die Hyposensibilisierung (regelmäßige Impfung, auch Schluckimpfung bei Kindern) die unseren Organismus dazu veranlassen will, sich doch an den Allergieverursacher zu gewöhnen, sozusagen Frieden mit ihm zu schließen und ihm gegenüber irgendwann ein toleranteres Verhalten zu zeigen.

Die medikamentöse Behandlung von Allergien richtet sich nach der Häufigkeit und Intensität der Beschwerden. Eine große Auswahl gut wirksamer Arzneien steht uns heute jedenfalls zur Verfügung. Da gibt es systemisch wirkende (meist Antihistaminika) die im ganzen Körper verteilt werden. Antihistaminika sind inzwischen so hoch entwickelt, dass sie weitgehend nebenwirkungsfrei sind. Weiter helfen lokal anzuwendende Mittel wie Nasensprays, Augentropfen bzw. bei Ausschlägen auch Salben oder Puder. Auch Asthmasprays gehören in diese Kategorie. Viele dieser wirksamen Helfer sind rezeptfrei in der Apotheke erhältlich.
Bei extrem heftigen allergischen Reaktionen in Begleitung von Entzündungen kann auch die Behandlung mit Cortison angezeigt sein; lokal angewendet (Asthmaspray) wirkt es nur dort, wo es soll, in dem Fall auf den Bronchien.

Ganz wichtig für den Behandlungserfolg ist freilich, dass die Anwendung regelmäßig und in der empfohlenen Dosis erfolgt. Auch sollte rechtzeitig damit begonnen werden.

Welche Behandlung wann und für wen die beste ist, da fragen Sie am sichersten die Spezialisten: Ihren Arzt oder Apotheker!

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